Anatomische Hypothese über den Musculus stylohyoideus und den Processus styloideus

Firniss M.

Hypothese: Im Proc. styloideus und M. stylohyoideus befindet sich vermutlich ein durchgehender Kanal.

Studiendesign: In zufälliger Auswahl wurde im anatomischen Institut der Universität Heidelberg an den vorhandenen Leichen der M. stylohyoideus mit einem Teil des Proc. styloideus frei präpariert und makroskopisch untersucht. Die Dokumentation erfolgte in digitaler Farbfotografie. Die Beobachtungen ergaben, dass eine mikroskopische Studie den makroskopischen Erkenntnissen folgen musste. Bei weiteren Veranstaltungen im anatomischen Institut der Universität Heidelberg, wurde nun aus vorhandenen Leichen der M. stylohyoideus mit einem Teil des Proc. styloideus heraus präpariert und ungeschnitten auf Glasträger für die mikroskopische Untersuchung gelegt.

Methodik der makroskopischen Untersuchung: Die makroskopische Untersuchung dient der Orientierung, Erkennung und Einschätzung des Untersuchungsgebietes. Es wurden 20 Leichen oder Leichenteile makroskopisch untersucht, 18 wurden davon dokumentiert. Die Präparate wurden zufällig ausgewählt, d.h. es wurde keine Auswahl nach irgendwelchen Kriterien durchgeführt. Zur Probengewinnung und Untersuchung sind alle am jeweiligen Untersuchungstage vorgefundenen Leichen herangezogen worden. Bei den sogenannten Semesterleichen in den Hörsälen des anatomischen Instituts der Universität Heidelberg wurden teils eröffnete und teils unversehrte Leichen, was das Präparationsgebiet betrifft, vorgefunden.

Methodik der mikroskopischen Untersuchung: Die Präparate sind so dünn, dass sie für die Beobachtungszwecke nicht weiter vorbereitet oder mikrotomisch geschnitten werden müssen, zumal der gefundene optische Effekt dann wahrscheinlich auch nicht zu beobachten wäre. Die ungewöhnliche Methode der Objektmikroskopie wird nochmals weiter hinten erwähnt. Es wurden Präparate von 25 Leichen mit Hilfe der Objektmikroskopie untersucht, 20 davon wurden beschrieben. Die Auswahl der Präparate erfolgte bis auf die qualitative Bestimmung zufällig, d.h. es wurden keinerlei Unterscheidungen nach Geschlecht oder Alter vorgenommen. Die Präparate erscheinen in den Randbereichen stärker durchfärbt als im Mittelteil. Dies ist vermutlich Folge der Materialdichte an diesen Stellen.

Ergebnisse der makroskopischen Untersuchung: In 20 untersuchten Präparaten und 18 von diesen ausgewählten fotografischen Belegstücken war im Gegensatz zu den üblichen Beschreibungen in der anatomischen Fachliteratur kein Lig. stylohyoideus erkennbar. Die von SCHNAARS beschriebenen Hohlräume im Proc. styloideus wurden in einem Präparat entdeckt. Dies war das einzige mazerierte Präparat, das während der Studie gefunden wurde.

Ergebnisse der mikroskopischen Untersuchung: Mikroskopisch wurde bei 20 ungeschnittenen und nicht mikrotomierten Proben, aus insgesamt 25 Präparaten, ein durchgängiger Kanal durch den Proc. styloideus und den M. stylohyoideus gefunden. Es zeigte sich, dass die untersuchten Präparate einen röhrenförmige Struktur besitzen müssen, die in den Randbereichen dichter ist, als in den Mittelbereichen.

Diskussion: In allen 20 dokumentierten Proben wurden Kanäle gefunden. Man könnte daraus schließen, dass es sich dabei um eine Evakuierungsmöglichkeit für Körperflüssigkeiten handelt. Vielleicht ist der hohle M. stylohyoideus ein aktiver Drainagekanal für den Innenohrbereich, mit der Aufgabe die Endo- und Perilymphe durch einen Melkvorgang am Proc. styloideus zu evakuieren. Das aus dem untersuchten Material entstandene Denkmodell geht dahin, sich ein zweites Drainagesystem für das Innenohr, parallel zum bestehenden für das Mittelohr – der Eustach'schen Röhre - vorzustellen. Das Ergebnis dieser anatomischen Untersuchung würde sich somit in das osteopathische Konzept der Fluktuation und Drainage von Körperflüssigkeiten einfügen. Über die Evakuation des Innenohres und seiner Flüssigkeiten ist noch nichts bekannt und es existieren keinerlei Studien oder Beschreibungen. Hier könnte die osteopathische Klinik ansetzen und Beiträge dazu leisten, zum Beispiel durch geeignete Techniken, die die Drainage in dem Kanal fördern.