Osteopathische Behandlung von Patienten mit Tinnitus und craniomandibulären Dysfunktionen

Sylvia Joachim, Sabine Kronau, Nicola Moshövel (STILL ACADEMY Osteopathie GmbH)

 

Hintergrund: Zusammenhänge zwischen craniomandibulären Störungen (CMD) und Symptomen im Bereich des Ohres, wie Tinnitus, Schwindel, Otalgie etc., werden häufig beobachtet. Epidemiologischen Untersuchungen zufolge liegt die Prävalenz der genannten Symptome bei Patienten mit CMD bei bis zu 85%.

 

Studienziel: Ziel der Studie ist die Untersuchung der Effektivität der osteopathischen Behandlung bei Patienten mit Tinnitus und craniomandibulären Dysfunktionen.

 

Studiendesign: Zweiphasige Prä-Post-Pilotstudie.

 

Material und Methoden: 31 Patienten im Alter zwischen 21 und 70 Jahren (Mittelwert des Alters 39 ± 11 Jahre) mit Tinnitus und CMD nahmen an der Studie teil. Voraussetzung für eine Studienteilnahme war die Zuordnung zu einer von drei so genannten Achsen der „Research Diagnostic Criteria for Temporomandibular Disorders – German Version (RDC/TMD)“ durch einen unabhängigen Untersucher.  Nach einer sechswöchigen behandlungsfreien Wartezeit erhielten die Patienten sechs befundorientierte osteopathische Behandlungen in Abständen von jeweils zwei Wochen. Drei Monate nach der abschließenden Erhebung der Zielparameter erfolgte ein Follow-up.

Zielparameter bezogen auf den Tinnitus waren die subjektive Tinnituswahrnehmung, erfasst über den Tinnitusfragebogen nach Göbel und Hiller (TF) sowie die Intensität, ermittelt via visueller Analogskala (VAS). Die CMD Symptomatik wurde hinsichtlich der funktionellen Beeinträchtigung (Fragebogen nach Fink) und der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität (Oral Health Impact Profile – German Version, OHIP-G) untersucht. Desweiteren wurden Lebensqualität (SF-36) und Depression (Allgemeine Depressionsskala, ADS-L) festgehalten. Die osteopathische Befunderhebung erfolgte nach einem Befundschema, die am Tag der Untersuchung vorgefundenen Dysfunktionen im parietalen, viszeralen und kranio-sakralen System wurden individuell nach den Prinzipien der Osteopathie behandelt.

 

Ergebnisse: Entsprechend den Diagnosekriterien des RDC lagen mit fast 80% die myogenen Dysfunktionen im Vordergrund, in den meisten Fällen in Kombination mit einer Diskusverlagerung oder anderen Gelenkserkrankungen. Der Vergleich der beiden Studienphasen zeigt eine klinisch relevante Verbesserung bezüglich beider Zielparameter für die Erfassung der Tinnitusproblematik während der Behandlungsphase. Die Differenz der Tinnitusintensität (VAS) lag bei 2,7 (95% CI: 1,6 bis 3,8) und die der Tinnituswahrnehmung (TF) bei 13,6 Punkten (95% CI: 7,5 bis 19,6). Auch die funktionelle Beeinträchtigung durch die CMD (Summenscore des Fragebogens nach Fink) zeigte einen signifikanten Unterschied im Vergleich der Wartezeit und der Behandlungsphase von 1,7 (95% CI: 0,9 bis 2,6). 

Die Lebensqualität verbesserte sich mit einer signifikanten Differenz in der psychischen Summenskala von 8,5 (95% CI: 3,8 bis 13,3). Die Effekte bezüglich Depression und mundgesundheitsbezogener Lebensqualität zeigten sich während der Behandlungsphase ebenfalls, erreichten jedoch im Vergleich zwischen beiden Phasen die Signifikanzgrenze nicht.

 

Schlussfolgerung:  Sechs osteopathische Behandlungen über einen Zeitraum von 12 Wochen führen zu klinisch relevanten positiven Veränderungen beider Symptomatiken bei Patienten mit Tinnitus und CMD. Im Rahmen der Durchführbarkeit einer Studie zu diesem Thema zeigte sich die Methodik als geeignet, insbesondere die gewählten Zielparameter und die entsprechenden Messmethoden, so dass basierend auf den Ergebnissen randomisierte kontrollierte Studien geplant werden könnten.