Sind Faszien in vivo und in vitro aktiv und passiv kontraktionsfähig, welche Mechanismen ermöglichen dieses Kontraktionsverhalten und welche Konsequenzen ergeben sich aus diesem Fakt für die angewandte Osteopathie? Systematische Literaturübersicht.

Elke-Maria Brand

Hintergrund: Faszien umhüllen, verbinden, unterteilen und begrenzen anatomische Strukturen des menschlichen Körpers. Außerdem dienen sie der Formgebung. Einzelne Faszien können in Ursprung, Ansatz und Verlauf genau beschrieben werden, in ihrer Gesamtheit stellen sie im Körper eine kontinuierliche Struktur dar. Faszien gehören zu den kollagenfaserigen Bindegeweben und können ja nach Körperregion einen unterschiedlichen Aufbau vorweisen. Sie bestehen oft aus zwei bis drei Schichten, ihre Fasern zeigen eine scherengitter- oder auch parallelförmige Ausrichtung. Weitere Bestandteile der Bindegewebe sind die extrazelluläre Matrix und die Bindegewebszellen. Wandernde Bindegewebszellen gehören zum Immunsystem, bei den ortsansässigen Bindegewebszellen werden Fibroblasten, Myofibroblasten und embryonale Stammzellen unterschieden. Faszien enthalten Nervenfasern, Mechanorezeptoren, und sind so mit dem autonomen Nervensystem verbunden.

Studienziele: Können sich Faszien aktiv und passiv kontrahieren und entspannen? Wie erklärt die forschende Wissenschaft dieses Verhalten? Welche Bedeutung haben diese neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse für die osteopathische Behandlung?

Material und Methoden: Mittels einer systematischen Literaturrecherche werden die medizinischen Datenbanken Medline und Embase sowie osteopathische Datenbanken durchsucht. Verschiedene Fachzeitschriften der Neuroanatomie, Chirurgie und Osteopathie werden mittels Handsuche auf relevante Artikel hin gesichtet. Die Internetauftritte der Europäischen Rolfing Association, des Kongresses Fascia 2007 in Boston und des Kongresses Fascia 2009 in Amsterdam werden nach Literatur durchsucht, und es werden Forscher direkt angeschrieben. Die identifizierte Literatur wird in Bezug auf die Studienziele auf ihre Relevanz überprüft und ausgewertet.

Ergebnisse: Drei Studien stellen übereinstimmend eine Kontraktion von getesteten Faszienproben auf mechanische Stimulation dar und weitere drei Studien zeigen eine Kontraktion von Faszienproben als Reaktion auf pharmakologische Stimulanzen. Alle Untersuchungen beziehen sich auf Faszienproben in vitro. Auf Grundlage der Aussage von aktuellen Forschungsergebnissen wird der Zellgruppe der Myofibroblasten die Verantwortlichkeit für dieses Verhalten zugeschrieben.

Schlussfolgerung: Veränderungen im Faszientonus sind nicht nur mechanische Übertragungen muskulärer Spannungsänderungen, sondern beruhen auch auf eigener Kontraktilität. Faszien nehmen in der osteopathischen Behandlung einen breiten Raum ein. Das Verständnis ihrer Komplexität, insbesondere hinsichtlich eines aktiven zellulären Geschehens, sollte diesen untermauern.